Erzähltes Leben
epd-Band zur Autobiografie erschienen

Der Band, der als Dokumentation des Evangelischen Pressedienstes (epd) erscheint, umfasst Beiträge zur Tagung „Auto-Biographien in interdisziplinärer Perspektive“ , die vom 5.bis 7. Februar 2016 in der Evangelischen Akademie Hofgeismar stattfand.
Im Vorwort schreibt Studienleiterin Kerstin Vogt, die auch die Tagung leitete, folgendes dazu:
Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende. - Oscar Wilde
Dieser Gedanke, der Oscar Wilde zugeschrieben wird, ist die Grundlage unzähliger Spielfilme und, wenn wir ehrlich sind, auch der meisten Biographien. Wir tragen meist die Hoffnung auf einen positiven Ausgang unserer persönlichen Wünsche und Hoffnungen in uns. Manchmal schildern wir sie auch vor der negativen Folie überstandener Herausforderungen und Probleme in der Vergangenheit. Und selbst, wenn diese Probleme noch bis in die Gegenwart hineinreichen sollten, erzählen wir davon meist mit Lösungsmöglichkeiten in der Zukunft.
Vielleicht beginnt eine seelische Erkrankung dort, wo wir uns jeglicher positiver Handlungsoptionen für die Zukunft beraubt sehen.
Diese These stand am Anfang unserer Überlegungen zu einer interdisziplinären Tagung zum Thema Auto-Biographie. Zusammen mit Prof. Dr. Thomas K. Kuhn von der theologischen Fakultät der Universität Greifswald entstand das Konzept, verbunden mit der Frage, ob und in wie fern unser biographische Erzählen vom christlichen Glauben geprägt wurde. Denn das Aufschreiben und das damit verbundene Deuten unseres Lebens, ist historisch eng mit der Bekehrung/ Umkehrung des Menschen verbunden. Die Linie zieht sich von Augustins Confessiones über die Selbstbeobachtung der eigenen Persönlichkeit im Pietismus bis zu den säkularen Selbstdeutungen der Gegenwart. Diesem allgegenwärtigen Phänomen ist die Tagung in unterschiedlichen Medien nachgegangen.
Nach einer theologiegeschichtlichen Verortung des Problems, zieht Prof. Rosenstock aus Greifswald die Linie weiter bis zur digitalen Konstruktion des Ichs in den neuen Medien. Durch Facebook und andere Medien verändert sich unser Umgang mit Autobiographien. Was früher nur wenigen Personen vorbehalten war, erreicht nun die breite Öffentlichkeit. Unser Leben spielt eine Rolle, doch wer nimmt es wahr?
Neben der öffentlichen Selbstdarstellung hat die Arbeit an der eigenen Biographie auch eine therapeutische Funktion. Dieses Thema beleuchtet Herta Schindler aus Kassel, die seit vielen Jahren biographisches Schreiben in einer Schreibwerkstatt anleitet.
Wie unterschiedlich dies erfolgen kann, zeigt auch ein Blick in die Arbeit einer Biographin. Adele von Bünau gewährt uns Einblicke in ihre Arbeit, die aus erzähltem Erleben Verschriftlichtes werden lässt. Mit viel Empathie beschreibt sie diesen Prozess der Auseinandersetzung mit fremden Lebensgeschichten.
Während diese weitgehend dem Anspruch einer „historischen“ Wahrheit folgen, ist die Gattung des Romans eine ganz andere. Bei unserer Lesung von Andreas Maier aus seinem neuen Roman „Der Kreis“, in dem er sein eigenes Leben fiktionalisiert, verändert und unter einem anderen Fokus erzählt, wurde diese Diskrepanz deutlich. Was er als Stilmittel ganz bewusst einsetzt, macht fast jede Autobiographie: Aus der Fülle des Erlebten auswählen und weglassen, umdeuten und es aus einer späteren Perspektive in ein neues Licht rücken. Frau Dr. Heidi Gidion, Literaturwissenschaftlerin aus Göttingen, führte uns dies mit profunder Kenntnis zahlreicher Autobiographien vor Augen.
Die Uneindeutigkeit des erzählenden Ichs wird gerade dann deutlich, wenn die niedergeschriebene Autobiographie auf zeitgenössische Leser trifft. Haben sie das genauso oder vielleicht doch etwas anders wahrgenommen. Diese Situation stellt sich häufig bei Seelsorgebesuchen ein, in denen der Pfarrer/in zu einem Beerdigungsgespräch eingeladen wird. Wie war der Vater eigentlich? Was war der Mutter besonders wichtig in ihrem Leben? Hier treffen nicht nur in Patchwork-Familien oft Welten aufeinander. Von der Kunst daraus eine tröstende Predigt zu schrieben, berichtet Prof. Dr. Friedrichs.
Maren Krauß beschreibt hingegen, welche Voraussetzungen das Medium Film mit sich bringt, wenn aus einer realen Person eine Filmfigur wird.
Wie unterschiedlich die Medien auch sein mögen und damit auch die Form des jeweiligen autobiographischen Erzählens, die Frage bleibt: Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende?
Die Antwort hängt sicherlich vom Zeitpunkt ab, an dem die Autobiographie verfasst wird und von der Erwartung eines guten Endes. Manchmal reicht das Leben dafür nicht aus. Es bedarf eines erweiterten Horizonts, vor dem sich die Fragmente unseres Lebens neu darstellen.
Vieles einer lebendigen Tagung lässt sich nicht in einem Tagungsband wiedergeben, gerade auch die wertvollen Gespräche zwischendurch. Dennoch bietet dieser Band einen guten Einblick in den Themenkomplex und macht Lust, sich weiter damit zu beschäftigen.
Kerstin Vogt
Im Vorwort schreibt Studienleiterin Kerstin Vogt, die auch die Tagung leitete, folgendes dazu:
Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende. - Oscar Wilde
Dieser Gedanke, der Oscar Wilde zugeschrieben wird, ist die Grundlage unzähliger Spielfilme und, wenn wir ehrlich sind, auch der meisten Biographien. Wir tragen meist die Hoffnung auf einen positiven Ausgang unserer persönlichen Wünsche und Hoffnungen in uns. Manchmal schildern wir sie auch vor der negativen Folie überstandener Herausforderungen und Probleme in der Vergangenheit. Und selbst, wenn diese Probleme noch bis in die Gegenwart hineinreichen sollten, erzählen wir davon meist mit Lösungsmöglichkeiten in der Zukunft.
Vielleicht beginnt eine seelische Erkrankung dort, wo wir uns jeglicher positiver Handlungsoptionen für die Zukunft beraubt sehen.
Diese These stand am Anfang unserer Überlegungen zu einer interdisziplinären Tagung zum Thema Auto-Biographie. Zusammen mit Prof. Dr. Thomas K. Kuhn von der theologischen Fakultät der Universität Greifswald entstand das Konzept, verbunden mit der Frage, ob und in wie fern unser biographische Erzählen vom christlichen Glauben geprägt wurde. Denn das Aufschreiben und das damit verbundene Deuten unseres Lebens, ist historisch eng mit der Bekehrung/ Umkehrung des Menschen verbunden. Die Linie zieht sich von Augustins Confessiones über die Selbstbeobachtung der eigenen Persönlichkeit im Pietismus bis zu den säkularen Selbstdeutungen der Gegenwart. Diesem allgegenwärtigen Phänomen ist die Tagung in unterschiedlichen Medien nachgegangen.
Nach einer theologiegeschichtlichen Verortung des Problems, zieht Prof. Rosenstock aus Greifswald die Linie weiter bis zur digitalen Konstruktion des Ichs in den neuen Medien. Durch Facebook und andere Medien verändert sich unser Umgang mit Autobiographien. Was früher nur wenigen Personen vorbehalten war, erreicht nun die breite Öffentlichkeit. Unser Leben spielt eine Rolle, doch wer nimmt es wahr?
Neben der öffentlichen Selbstdarstellung hat die Arbeit an der eigenen Biographie auch eine therapeutische Funktion. Dieses Thema beleuchtet Herta Schindler aus Kassel, die seit vielen Jahren biographisches Schreiben in einer Schreibwerkstatt anleitet.
Wie unterschiedlich dies erfolgen kann, zeigt auch ein Blick in die Arbeit einer Biographin. Adele von Bünau gewährt uns Einblicke in ihre Arbeit, die aus erzähltem Erleben Verschriftlichtes werden lässt. Mit viel Empathie beschreibt sie diesen Prozess der Auseinandersetzung mit fremden Lebensgeschichten.
Während diese weitgehend dem Anspruch einer „historischen“ Wahrheit folgen, ist die Gattung des Romans eine ganz andere. Bei unserer Lesung von Andreas Maier aus seinem neuen Roman „Der Kreis“, in dem er sein eigenes Leben fiktionalisiert, verändert und unter einem anderen Fokus erzählt, wurde diese Diskrepanz deutlich. Was er als Stilmittel ganz bewusst einsetzt, macht fast jede Autobiographie: Aus der Fülle des Erlebten auswählen und weglassen, umdeuten und es aus einer späteren Perspektive in ein neues Licht rücken. Frau Dr. Heidi Gidion, Literaturwissenschaftlerin aus Göttingen, führte uns dies mit profunder Kenntnis zahlreicher Autobiographien vor Augen.
Die Uneindeutigkeit des erzählenden Ichs wird gerade dann deutlich, wenn die niedergeschriebene Autobiographie auf zeitgenössische Leser trifft. Haben sie das genauso oder vielleicht doch etwas anders wahrgenommen. Diese Situation stellt sich häufig bei Seelsorgebesuchen ein, in denen der Pfarrer/in zu einem Beerdigungsgespräch eingeladen wird. Wie war der Vater eigentlich? Was war der Mutter besonders wichtig in ihrem Leben? Hier treffen nicht nur in Patchwork-Familien oft Welten aufeinander. Von der Kunst daraus eine tröstende Predigt zu schrieben, berichtet Prof. Dr. Friedrichs.
Maren Krauß beschreibt hingegen, welche Voraussetzungen das Medium Film mit sich bringt, wenn aus einer realen Person eine Filmfigur wird.
Wie unterschiedlich die Medien auch sein mögen und damit auch die Form des jeweiligen autobiographischen Erzählens, die Frage bleibt: Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende?
Die Antwort hängt sicherlich vom Zeitpunkt ab, an dem die Autobiographie verfasst wird und von der Erwartung eines guten Endes. Manchmal reicht das Leben dafür nicht aus. Es bedarf eines erweiterten Horizonts, vor dem sich die Fragmente unseres Lebens neu darstellen.
Vieles einer lebendigen Tagung lässt sich nicht in einem Tagungsband wiedergeben, gerade auch die wertvollen Gespräche zwischendurch. Dennoch bietet dieser Band einen guten Einblick in den Themenkomplex und macht Lust, sich weiter damit zu beschäftigen.
Kerstin Vogt